Es sind schon viele Jahre vergangen und eigentlich hatte ich diese kleine Geschichte bereits vergessen, doch in den letzten Tagen fiel sie mir wieder ein, nachdem ich auf ein posting gestoßen war.
Als Souvenir von einer Amerikareise brachte ich mir eine Tasche mit!
Sie war rund und hatte einen langen Riemen, so dass ich sie schräg über die Schulter tragen konnte. Ihre Grundfarbe war schwarz und auf der Vorderseite war eine große Uhr zu entdecken, die in die Tasche eingelassen worden war. Es war keine Atrappe, sondern die Uhr funktionierte wie eine Armbanduhr und hatte ein weißes Zifferblatt mit schwarzen römischen Zahlen rundherum. Neben einem Stunden- und Minutenzeiger verfügte sie über einen Sekundenzeiger. Voller Begeisterung hatte ich sie erstanden und die Begeisterung ließ nicht nach, als ich sie mit nach Hause brachte.
Jeder, der diese Tasche sah, zeigte sein Erstaunen. Ging ich durch die Stadt, konnte ich sicher sein, dass mich Menschen ansprachen und fragten, ob das eine tatsächlich funktionierende Uhr sei. Lachend berichtete ich meinen Freundinnen, „gehe ich mit der Tasche in die Stadt, kann ich sicher sein, dass ich eine Menge neuer Leute kennenlerne“, weil diese Tasche so auffällig faszinierend war.
Kurze Zeit später besuchten mich meine Eltern aus Luxemburg in Deutschland und ich zeigte ihnen, neben all den anderen Souveniers meiner Reise stolz diese Tasche. Entsetzt und verärgert hörte ich die Stimme meines Vaters verlauten, „wages es nicht, mit dieser Tasche uns zu besuchen!“ Verdutzt schaute ich ihn fragend an, „aber warum das denn nicht? Was stört dich an dieser Tasche?“ Sein Ärger verschärfte sich und seine Worte ebenso, „ich habe keine Lust, deinetwegen ins Gerede kommen. Was sollen die Leute denken, wenn du mit so einem Ding durch die Stadt gehst!“
Daraufhin fiel mir nichts mehr ein! Ich war sprachlos! Ich schaute meine Tasche an, während mein Vater sich weiter echauffierte und hing sie an die Garderobe. Was war passiert?
Eine witzige, ausgefallene Tasche, die jedermann gefiel, führte zu einer Auseinandersetzung, die dazu führte, dass ich erkennen musste, dass meinem Vater die eventuelle Meinung anderer so wichtig war, dass er mir vorschreiben wollte, mich seinen Vorstellungen gemäß zu verhalten und in der Öffentlichkeit so aufzutreten, dass niemand „Anstoß“ nehmen könnte. Diese Tasche gefährdete seinen guten Ruf. Wäre ich nicht so betroffen gewesen wäre, hätte ich laut losgelacht. Aber ich bemerkte, dass sich in mir Widerstand breit machte. „Nein! „antwortete ich ihm, „du wirst mich in deiner Stadt nicht mit meiner Tasche sehen“, antwortete ich nach einer Weile lapidar.
Doch es war etwas passiert! In mir. In dieser Auseinandersetzung habe ich mir geschworen, dass ich mich durch niemandem irgendwelche Vorsschriften machen lasse und machen lassen werde. Wenn ich eine Entscheidung treffe, sie als korrekt empfinde, stehe ich dazu und trage auch die möglichen Konsequenzen! Seit diesem Tage wusste ich, mich von niemandem bevormunden lasse und für meine Ansichten und Überzeugungen mit meiner ganzen Person eintreten werde. Ich lasse keine Angst in mir aufkommen, dass ich jemandem aus irgendwelchen Gründen nicht gefallen könnte. Wenn das so wäre, könnte ich es auch nicht ändern.
Es vergingen mehr als neuen Monate, in denen ich nicht nach Luxemburg gefahren bin und meine Eltern auch nicht nach Deutschland kamen. Zwischendurch telefonierten wir, aber es waren Telefonate, die an der Oberfläche blieben. Nach fast einem Jahr kam mein Vater allein zu Besuch und bat mich, mal wieder auf einen Besuch nach Hause zu kommen. Ich kochte Kaffee und bot ihm eine Zigarette an. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste er nicht, dass ich überhaupt rauche. Ohne Kommentar nahm er die Zigarette, ich gab ihm Feuer und wir rauchten kaum redend, während wir Kaffee tranken. Dann nahm er sich ein Herz und fragte mich, „warum ich so lange nicht nach Hause gekommen sein?“
Ich antwortete langsam, gelassen, doch auch tief in mir ruhend und erklärte ihm, dass ich allein darüber entscheide, wie ich mich kleide, was mir wichtig ist, dass ich als selbständig denkender Mensch in der Lage bin, Dinge zu tun oder zu lassen. Ich erklärte ihm, dass mich das Gerede von Menschen nicht interessiert, es sei denn, wenn es sich um ein fundiertes Gespräch sei auf der Grundlage von Argumentation und Gegenargumentation. Ich erklärte ihm, dass mein Ich stark genug sei, zu meinem Ich zu stehen. Er hörte mir zu. Nachdem ich geendet hatte, erfüllte schweigen den Raum. Dann hörte ich ihn plötzlich sagen, „du bist mutig, Marexa, aber sei dir sicher, dass du dir mit deiner Einstellung nicht immer Freunde machen wirst.“ Ich nickte zustimmend.
Aber brauche ich Freunde, denen ich nach dem Mund rede oder sie mir. Damit vermag ich nichts anzufangen. Es mag vielleicht sein, dass mir jemand Egoismus vorwerfen könnte. Dem entgegne ich, dass ich jeden Menschen in seinem eigenen Wert belassen möchte. Ich habe festgestellt, dass ich wirklich echte Freunde habe, Menschen, die mich seit vielen Jahren begleiten auf einer Ebene, die gleichwertig ist.
Als Menschenfreund und als Freund der Tiere ist es mir ein Anliegen, denen eine Lobby zu geben, die keine haben, möchte ich die unterstützen, denen der Mut fehlt, möchte ich zeigen, dass man zu sich selber stehen kann und sein eigenes Ich lebt.
Manchmal ist es schon wunderlich, dass man sich an eine lang vergangene Situation erinnert, die dazu führte, sich darüber klar zu werden, was man will und vor allem, was man nicht will.
Ich bin gestern auf den Dachboden gegangen, habe alte Kisten durchgeschaut und irgendwann fand ich sie, diese Tasche mit der Uhr. Ihre Batterie ist längst abgelaufen. Dennoch, ich habe sie mitgenommen und ihr in meinem Zimmer einen Ehrenplatz gegeben. Ich weiß nicht, ob ich sie nochmals tragen werde, doch sie wird mich ab jetzt erinnern, dass es richtig ist, nicht dem Gerede anderer zu folgen und stets seinen ureigenen Weg geht!